Medikamentöse Therapie mit Amfetaminen und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern

Langjährige gute Erfahrung mit Methylphenidat
Mittel der ersten Wahl (der so genannte Goldstandard) in der medikamentösen ADHS-Behandlung ist der Wirkstoff Methylphenidat. Der Wirkstoff reguliert das Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn – die behandelten Kinder werden ausgeglichener, können Umwelteinflüsse besser verarbeiten und ihren (Schul-)Alltag wesentlich leichter meistern. Doch viele Eltern fürchten die Gabe einer so genannten (Psycho-)Stimulanz bei ihrem Kind. Dabei handelt es sich bei dem eingesetzten Medikament nicht um ein Beruhigungsmittel – wie die formelle Verordnung auf Betäubungsmittelrezept fälschlicherweise vermuten lässt -, sondern um eine anregende (stimulierende) Substanz. Die stimulierende Wirkung bezieht sich auf die Aktivierung derjenigen Nervenzellen, welche die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin verwenden, und die in der Folge die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit erhöhen. Nach sorgfältiger Diagnosestellung und genauer Aufklärung des Patienten, der Eltern und Betreuenden gilt die medikamentöse Therapie allgemein als sehr wirksam, sicher und ungefährlich. Langzeitnebenwirkungen oder Abhängigkeiten sind nicht bisher bekannt. Zudem konnte in einer großen Untersuchung gezeigt werden, dass die Einnahme von Stimulanzien die wirksamste Behandlung ist, um die Kernsymptome bei ADHS zu bessern und aufgrund der resultierenden besseren Integration in das schulische und berufliche Umfeld, Unfällen, Sucht und Kriminalität vorzubeugen.

Methylphenidat führt bei 70 bis 80% der Kinder mit ADHS zur Minderung der Unaufmerksamkeit und der Ruhelosigkeit mit deutlicher Konzentrationssteigerung. Die Wirkung tritt nach 30 Minuten ein und hält ca. vier Stunden an. Die Dosierung wird auf das Kind abgestimmt, am Wochenende und in den Ferien werden in Einzelfällen Therapiepausen eingelegt. Alternativ steht Methylphenidat auch zur täglichen Einmalgabe zur Verfügung. ADHS-Kinder, die eine ganztägige Symptom-Kontrolle benötigen, müssen hiermit nicht mehr auf die meist lästige und unangenehme regelmäßige Einnahme des Medikaments während der Schul- und Freizeit achten. Die besondere Wirkstoff-Aufbereitung (Retardiuerung) versorgt sie über den ganzen Tag mit einer ausreichenden Stimulanzienmenge. So haben auch Eltern die Kontrolle und Garantie, dass ihr Kind das Medikament in empfohlener Tagesdosis erhalten hat. Methylphenidat ist seit Juli 2011 auch für Erwachsene mit AD(H)S  zugänglich. [siehe:http://www.kvwl.de/arzt/verordnung/arzneimittel/info/invo/methylphenidat_erwachsene_invo.pdf]


Wenig Nebenwirkungen
Appetitminderung, Übelkeit, Schlafprobleme, Blässe, Schwindel, Kopf- und Bauchschmerzen können in einigen Fällen bei der Einnahme von Psychostimulanzien auftreten. Auch eine vorübergehende Wachstumsverlangsamung bei normaler Endgröße gehört zu den seltenen Nebenwirkungen. Beobachten Sie bei Ihrem Kind Auffälligkeiten, lassen Sie sich von Ihrem Facharzt diesbezüglich beraten. Eine regelmäßige ärztliche Kontrolle der Medikation, vor allem der Dosierung (z.B. auch Dosisanpassung bei Größen- und Gewichtszunahme), ist unabhängig von möglichen Nebenwirkungen bei allen Patienten dringend erforderlich.

Neue (aber eigentlich bekannte Wirkstoffe) Dexamfetamin und Lisdexamfetamin:

Dexamfetamin

Seit Anfang Dezember 2011 hat sich diese Situation nun geändert. Attentin® 5 mg Tabletten (Medice Arzneimittel) ist das erste Dexamfetamin-haltige Fertigarzneimittel in Deutschland. Das Betäubungsmittel ist zur Behandlung der therapierefraktären Auf­merk­samkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen ab sechs Jahren zugelassen. Eine Verordnung ist nur bei den wenigen Kindern erlaubt, die auf eine ausreichend lange Behandlung mit Methylphenidat und Atomoxetin in maximaler und verträglicher Dosis nicht ansprechen. Bei Erwachsenen ist das Präparat nicht zugelassen. Die Zulassung erfolgte im nationalen Zulassungsverfahren über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).[Quelle:http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=40467}

 

Lisdexamfetamin

Lisdexamfetamin (z.B. Elvanse® der Firma Shire) ist seit März 2013 zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS) bei Kindern ab sechs Jahren zugelassen, die zuvor auf Methylphenidat unzureichend angesprochen haben. Lisdexamfetamin ist ein Abkömmling des Dexamfetamins (D-Amphetamin), hier ist das Dexamfetamin mit der Aminosäure L-Lysin verknüpft. Dieses Prodrugmolekül wird erst nach der Resorption im Magen-Darm-Trakt primär von den Erythrozyten zu Dexamfetamin hydrolysiert, welches dann pharmakologisch aktiv ist. Wie andere ADHS-Medikamente darf auch Lis­dexamfetamin nur im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie eingesetzt werden, die zudem psychologische, pädagogische und soziale Maßnahmen beinhaltet. Es bleibt (wie beim Dexamfetamin) abzuwarten, wie sich die Nutzen/Risikoabwägung zukünftig gestaltet.


Der "etwas" andere Wirkstoff: Atomoxetin
In Deutschland ist noch ein weiterer Wirkstoff (Atomoxetin) zur Behandlung von ADHS-Patienten zugelassen. Er greift nicht wie Methylphenidat in das Dopamin-System ein, sondern reguliert selektiv die Noradrenalin-Aufnahme. In Studien erwies Atomoxetin sich als wirksam, allerdings fehlen hier noch die sehr langjährigen praktischen Erfahrungswerte wie sie bei Methylphenidat vorliegen. Das Nebenwirkungsprofil ähnelt dem von Methylphenidat. Darüber hinaus können Mundtrockenheit, Verstopfung und Stimmungsschwankungen auftreten. In sehr seltenen Fällen wurde schwerwiegende Leberfunktionsstörungen festgestellt.
Atomoxetin (Strattera®) ähnelt in seiner Struktur dem weltberühmten Antidepressivum Fluoxetin (Prozac® in Deutschland u.a. Fluctin®), das zu der Gruppe der SSRI (Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) gehört. Die Halbwertszeit von Atomoxetin (Strattera®) beträgt lt. Literatur fünf Stunden. Obwohl hier ein andersartiges Wirkprinzip als bei den Amfetaminen vorliegt, gilt es u.a. den Blutdruck und die Leberwerte im Auge zu behalten.

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